Behauptung:
Es gibt eine „Übervermehrung“ des Bibers, es werden immer mehr

Tatsache:
Der Biber reguliert seinen Bestand perfekt selbst – auch über gnadenlose Revierkämpfe

Die vom BN initiierte Wiedereinbürgerung verlief äußerst erfolgreich. Aus den zwischen 1968 und 1982 ausgesetzten 120 Tieren hat sich bis 2010 ein Bestand von etwa 14.000 Bibern in ca. 3.500 Biberrevieren gebildet. Die Verteilung in Bayern ist dabei noch sehr unterschiedlich: In einigen Gebieten (Donauachse, Isar nördlich von München, südliches Mittelfranken, Oberpfalz) sind praktische alle Gebiete besiedelt, in anderen Gebieten (z.B. (südliches Schwaben und Oberbayern, nördliches Mittelfranken, Teile von Unter- und Oberfranken) sind Biber verbreitet, haben aber noch freie Gewässer, nur wenige Gebiete (direktes Alpenvorland, nördliches Oberfranken, Teile von Unterfanken haben bisher kaum Biber.

Biber sind keine Herdentiere, die rudelweise in größeren Ansammlungen leben. Jedes Biberpaar hat ein flächenmäßig festes Revier. An Gewässern mit optimalen Nahrungsbedingungen sind die Reviere relativ klein (0.5 bis 1 km Fließgewässerstrecke). Mit schlechter werdender Qualität nimmt die Reviergröße zu (bis 6 km Fließgewässerstrecke). Die Reviergröße ist so angelegt, dass die ansässigen Biber dauerhaft in dem Gebiet überleben können. Biber sind streng territoriale Tiere. Ihre Reviere halten sie lebenslang. Das Revier wird mit einem stark riechenden Sekret (Castoreum, „Bibergeil“) gegenüber anderen Artgenossen markiert. Durch diese Reviersystem können Biberbestände nicht „in den Himmel wachsen“. Wachstum erfolgt nur, bis alle Reviere besetzt sind.

So sozial und fürsorglich die Biber innerhalb der Familie miteinander umgehen, so heftig verfahren sie mit fremden Artgenossen bei der Revierverteidigung. Bei Revierkämpfen kommt es oft zu erheblichen Bisswunden. Diese führen normalerweise selbst nicht zum Tode, sie infizieren sich im Wasser jedoch sehr leicht und heilen kaum aus. Diese Infektionen stellen dann die eigentliche Todesursache dar.

Zu diesen Revierkämpfen kommt es vor allem im Frühjahr und Sommer, wenn die zweijährigen Biber gnadenlos von den Eltern aus dem Revier vertrieben werden. Sie müssen abwandern und sich ein eigenes Revier suchen. Dabei durchqueren sie bei hoher Revierdichte viele andere bereits besetzte Biberreviere. Dort werden sie jeweils von den Revierinhabern angegriffen, vertrieben und verfolgt. Die Bissverletzungen finden sich vorwiegend am Rücken. Sie kommen häufig dann zustande, wenn einer der Kontrahenten flüchten will und ihm der Überlegene nachsetzt. Aber auch auf der Körperunterseite sind Bissstellen zu finden. So wurde in Bayern ein toter Biber gefunden, dessen Bauchdecke elfmal von einem anderen Biber durchbissen wurde. Es wird mit unglaublicher Wucht zugebissen. Die Wunden sind in der Regel sehr tief.

Für die jungen, gerade geschlechtsreifen Biber ist dies eine der Haupttodesursachen, da diese besonders häufig in Revierstreitigkeiten verwickelt sind. Diesen „Spießrutenlauf“ durch besetzte Reviere überleben viele nicht. In den Niederlanden kommen zwischen 33 und 44 % der Biber, die durch ein bestehendes, fremdes Revier wandern, dabei ums Leben! Je mehr Biberreviere bereits besetzt sind, umso geringer ist die Überlebenschance. Ist der Biberbestand dagegen gering oder befindet sich das elterliche Revier am Ausbreitungsrand, finden die Jungbiber relativ leicht und unbehelligt ein eigenes Revier. Diese innerartliche „Selbstregulation“ wirkt also automatisch um so stärker, je mehr Biber bereits in der Landschaft sind. Regulieren tun sich die Biber also selbst, durch ihr Reviersystem. Bei höheren Beständen wirken zudem auch noch andere begrenzende Faktoren verstärkt wie Krankheiten (epidemieartige Tuberkulose, Darminfektionen v.a. bei Jungbibern) und Parasiten (z.B. Bandwürmer, Fadenwürmer) und starke Verluste bei extremen Hochwasserereignissen.

In Bayern findet landesweit gesehen zwar noch eine weitere Ausbreitung des Bibers in die noch freien Gebiete statt (auf natürlichem Wege; die Wiedereinbürgerung endete ja schon 1982), wo Biber schon seit mehreren Jahrzehnten leben und alle Biberreviere besetzt sind wie im Donaubereich um Ingolstadt, am Inn oder in Teilen der Oberpfalz sind die Biberbestände seit längerem stabil. Dort wirkt die natürliche Selbstregulation – der Bestandszuwachs kommt allein durch die noch stattfindende Besiedlung bislang biberfreier Lebensräume.

Das erwachsene Weibchen einer Biberfamilie bekommt einmal im Jahr durchschnittlich 2-3 Junge. Von diesen überlebt in der Regel nur eins bis zur Geschlechtsreife, und muss dann versuchen ein eigenes Revier und einen Partner zu finden.

Die Geschlechtsreife setzt bei Bibern spät ein: die Jungen bleiben 2 Jahre im elterlichen Revier, bekommen also frühestens mit 3 Jahren das erste Mal selbst Nachwuchs. Voraussetzung ist, dass sie gleich im ersten Jahr einen Partner finden, sonst kann’s noch etwas länger dauern.

Und natürlich leben Biber auch nicht ewig. Mit 10-12 Jahren dürften die meisten Biber das Zeitliche segnen und fallen damit auch für die Vermehrung aus.

Dies alles führt dazu, dass der effektive jährliche Zuwachs einer Biberpopulation bei etwa 10-20% liegt. Dies gilt aber nur, solange in Bayern noch freie Räume vorhanden sind, in denen die abwandernden 2-jährigen ein eigenes Revier gründen können. Wenn alle Reviere besetzt sind, sinkt die effektive Vermehrung auf Null. Dies ist in einigen Gebieten Bayerns, in denen Biber seit über 30 Jahren vorkommen, bereits der Fall.

Die Biber“explosion“ gibt’s also nicht in freier Wildbahn, sondern ist allenfalls eine Explosion der Unkenntnis über den Biber.

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